
Total körniger Abzug eines Originalfotos genau des Juhl-Sessels, der ihm kreative Flügel verliehen haben soll
„Organic Design in Home Furnishings“ (Organisches Einrichtungsdesign) hieß die Schau, die 1940 im New Yorker Museum of Modern Art stattfand, das damit (nach „International Style“ acht Jahre zuvor) bereits zum zweiten Mal als Sprachregulator fungierte. Ein schicker Name! Alle freuten sich über das Neugeborene, auch wenn es ein Kriegskind war und etwas fahle, eingefallene Backen hatte. Andererseits: Schon wieder einer dieser Stile, von dem man gar nicht so ganz recht weiß, ob es ihn tatsächlich gab, oder ob es nur ein Wortpopanz ist, der sich selbstständig machte und seitdem durch die Welt gespenstert. Diese drängenden Fragen werden nun in einem noch ziemlich neuen Buch behandelt: darin wird auch erstmals die komplette Design-Kommode mit ihren Stilschubladen der letzten 100 Jahre geöffnet. Da kommt so manche Stilblüte zum Vorschein.
„Organisch“, also weich und geschwollen, ist ja so manches, zum Beispiel Jugendstil und Art Nouveau (die ich mal im Überschwang als „Schwellinismus“ zusammengefasst habe) oder auch die sogenannten „biomorphen“ Formen unserer Tage, zum Beispiel etwas so Banales wie Zahnbürsten, die mal so flach waren wie die Stiele am Eis und jetzt so dick sind wie Finger. Und dann soll es ja auch tatsächlich „Bionik“ geben und – schon gehört? – neuerdings auch „Zoomorphic“. Ein ziemlich brandheißes Thema also und somit ein Tummelplatz, auf dem sich die schlauesten Professoren mit Vergnügen suhlen.
„Organic Design“? Wie kamen sie auf diese Idee? Das klebrige Wörtchen „Design“ war ja seit Raymond Loewys Übersetzungsfehler (der den Kuratoren des Metropolitan Museum Art 1934 zwar aufgefallen, aber nicht beanstandet worden war) unweigerlich in die amerikanischen Medien geraten und nicht mehr zu tilgen. So weit so gut, aber hatte bei dem Adjektiv „organic“ nicht etwa mal wieder die (Kunst-)Avantgarde ihre regelverletzenden Hände im Spiel? Obwohl es sie doch bekanntlich damals in den USA noch gar nicht gab? Die Stromlinienpäpste waren jedenfalls in dieser Hinsicht völlig unverdächtig. Doch es existierten bereits weitgehend voneinander isolierte und in der Öffentlichkeit ohnehin noch völlig unbeachtete Zirkel, in denen sich Alternativen zur aufdringlichen Shownummer andeuteten. Im New York der frühen 1930er Jahre gab es solch ein Verschwörernest: Dort nahm die junge Kunststudentin Ray Kaiser – später kongeniale, wenn auch systematisch unterschätzte Partnerin von Charles Eames – Malunterricht, und zwar bei einem in Studentenkreisen furchtbar angesagten Immigranten, Hans Hofmann, einem deutschen Maler. Obwohl das eigentlich die falsche Bezeichnung war, denn er malte gar nicht, sondern schlabberte die Farben förmlich auf die Leinwand. Hofmann hatte in Paris studiert und war 1932 nach Amerika gekommen. Der Umzugsfreudige, der bereits in Deutschland eine florierende Kunstschule betrieben hatte, stellte die Verbindung zwischen Picasso und Pollock her und wurde zur überhaupt nicht grauen Eminenz des Abstrakten Expressionismus, der ersten neuen Kunstströmung made in USA. Seine Spritz- und Kleckskurse – man nennt das heute im Kindergarten immer noch „freie Gestaltung“ – inspirierten das junge Fräulein Kaiser mächtig und sollten über diesen Umweg zu einer Vorübung für dieses ominöse „organische Design“ werden.
Fortsetzung folgt!
Siehe auch die Ausstellung Finn Juhl 100 in Kopenhagen, eine Hommage an den leidenschaftlichen Organiker.