Acht Jahre steht er nun in der Küche, versieht seinen Dienst vorbildlich und entzieht sich weitgehend den ungeschulten Augen. Wie er heißt, weiß bis heute keiner. Und das wo heutzutage jeder Designartikel wie ein liebes Haustier mit Namen gerufen wird. Aber ausgerechnet dieser, der wahrlich so treu ist wie ein Schäferhund, hat keinen (Warum nicht Lassie oder Rin-Tin-Tin?) . 2003 muss es gewesen sein, als er in mein Leben trat. Ein namhafter deutscher Wasserhahnhersteller hatte mich auf die Mailänder Möbelmesse – den Salone – eingeladen. Weil ich damals die Designseite (sowas gab es vorher nicht und später auch nicht mehr) in der Financial Times Deutschland verantwortete. Ich war sozusagen Mister Design persönlich und musste deshalb hofiert werden. Das war einerseits recht komfortabel, aber auch ein wenig unangenehm wegen der ständigen Schleimerei. Aber das kann man ja abspülen.
Mailand, das ich etwa 20 Jahre vorher bei meinem ersten Italienaufenthalt noch ehrfurchtsvoll umkurvt hatte, fand ich ziemlich anregend, aber nicht besonders aufregend. Fabrizio, ein alter Freund, der auch irgendwas mit Gestaltung zu tun hat, war inzwischen aus Turin hierher gezogen (um hier die Corporate Identity einer katholischen Bank zu renovieren). Er führte mich durch ein paar Bars, um mir dabei unter anderem zu erklären, warum dieses Mailand eine gelackte und deshalb eher langweilige Bankenstadt sei, etwa im Gegensatz zu Rom. Naja, immerhin kam ich auch an ein paar schrägen und eher schäbigen Ecken vorbei, die mich bewogen, meine brandneue Digitalkamere zu zücken. Und diese Nischen lagen gar nicht weit entfernt von den geweihten Orten, an denen die Messenebelkerzen gezündet werden.
Dann gibt es natürlich noch diese Sehenswürdigkeiten, die alle zu Fuß zu erreichen sind: das massive Stadtschloss Castello Sforzesco und die Passage Galleria Vittorio Emanuele, der regensichere Durchgang von der Scala zum Dom – über den ja mal einer mit dem Besen geritten sein soll. Dieses ungewöhnliche Fluggerät hat er höchstwahrscheinlich in einem anderen Tempel erworben, den ich als freiberuflicher Formmissionar natürlich auch nicht verpassen durfte: das von Konsummythen umwehte Kaufhaus La Rinascente, einst mit eigener Entwurfsabteilung, die ein gewisser Mario Bellini leitete, einer der großen Designmaestros. Und da mitten zwischen den verführerisch gestalteten Verkauftischen geschah es dann. Dieses Ding ohne Namen klebte wie Uhu an meinen designgeschärften Blicken fest und ließ sich nicht mehr abschütteln. Ich musste es also mit nach Hause nehmen und hab es nie bereut. Es handelt sich um einen Behälter aus durchscheinendem weißen Hartplastik, in den man Besteck und andere Kleinteile nach dem Spülen zum Abtropfen stellen kann. Nennen wir es deshalb ganz einfach Besteckabtropfbehälter.
Der war zwar nicht von Bellini, aber von Ettore Sottsass (so steht es definitiv auf dem Boden). Noch so ein Maestro. So weit, so simpel. Aber der gute Sottsass hat dieses Teil, das in Spülmaschinenzeiten ja eigentlich völlig überflüssig zu sein scheint, mal wieder zu Ende gedacht. Der unscheinbare Küchendiener besteht aus drei Teilen, die man mit wenigen Handgriffen auseinandernehmen kann. Denn auch ein Besteckabtropfbehälter will mal gereinigt werden. Also: ein Außenbehälter und ein darin eingesetzter Innenbehälter mit vier Fächern werden durch einen stabförmigen, abschraubbaren Griff zusammengehalten. Ein kleines Wunderwerk. Die Messe hat sich gelohnt. bp