Großbritannien 1976. Er hat nur etwa sechs Zentimeter Durchmesser, sticht aber durch das rötliche Lila auf giftigem Eitergelb sofort ins Auge. Der Badge mit dem Schriftzug Sex Pistols, den der britische Grafiker Jamie Reid Ende der siebziger Jahre für die Rockgruppe gleichen Namens schuf, ist eine Reliquie des Punk. Die Revolte der Schmuddelkinder machte den Badge zum Kult- und Designobjekt.
Reid, Mitbegründer der Zeitschrift Suburban Press, einer Stadtteilzeitung aus Südlondon, die zum Sprachrohr des Untergrunds wurde, war bei Johnny Rotten & Co. für Anarchie in der Grafik zuständig. Der Anti-Konsumist und Punk-Aktivist fiel durch Verwendung von Papierfetzen und scheinbar wahllos ausgeschnittenen Buchstaben auf. Er gehörte zur selben Kunststudentengeneration wie Rock-Impresario Malcolm McLaren, von dem er schließlich zum Artdirector der Sex Pistols bestellt wurde – diesen Vorturnern des Punk, in deren unerzogenen Gebaren sich der Irrsinn dieses moralisch-ästhetischen Aufstands zu komprimieren schien. Der Künstler, Autodidakt und Berufsrebell Reid, geprägt durch die Pariser Studentenunruhen der sechziger Jahre und die New Yorker Ur-Punk-Szene, wurde – ähnlich wie ein Jahrzehnt zuvor die ebenso im Hintergrund gebliebene Astrid Kirchherr bei den Beatles – zum Popstylisten und machte aus der schrillen Combo erst ein Gesamtkunstwerk. Der Badge war der Orden der musikalischen Unruhestifter. Im Gegensatz zu Milton Glasers ebenso erfolgreichem Sticker „I love NY“, trug man den Badge deshalb auch nicht auf der Kühlerhaube, sondern auf der Brust. Bernd Polster