Atom oder Panzersperre?

Jacklight, Tom Dixon 1996

Jacklight, Tom Dixon 1996

Großbritannien 1996. Neben der virtuellen „Lara Croft“, dem saugkraftkonstanten Dyson-Staubsauger und dem kleckerfreien Babytrinkbecher ist dies die vielleicht hippeste Innovation, mit der uns das Designwunderland Großbritannien in jüngsten Vergangenheit beglückt hat. Das obskure Objekt mit seinen sechs Ausbuchtungen erinnert entfernt an ein Atommodell aus dem Chemieunterricht, weist aber auch frappante Ähnlichkeit mit jenen Panzersperren auf, die einst die Royal Army aufhalten sollten. Möbelhändler stellen sich die verzweifelte Frage, wo das Unikum eigentlich hingehört: in die Lampen- oder in die Sesselabteilung?

Der Leuchtsitz Jack kann beides. Sein Schöpfer Tom Dixon – einer der britischen Jungstars der neunziger Jahre, zwischenzeitlich Designchef der Möbelkette Habitat und Gründer des Webdesignhandels Akadoo – entwarf ein Zwitterwesen aus durchscheinendem Kunststoff, das draußen wie drinnen verwendbar ist und nicht nur Hierin Peter Ghyczys Gartenei aus dem Jahr 1968 gleicht. Beides scheinen vor allem spektakuläre Hingucker zu sein, stellen sich bei näherem hingucken aber tatsächlich als höchst funktional heraus. Das Multitalent Jack erfüllt bislang unvereinbar scheinende Funktionen: Das Unikum ist Jack, ist Leuchte, Barriere, Sitzgelegenheit und noch einiges mehr. Mit einer Glasplatte versehen wird daraus zum Beispiel ein schicker, bei Bedarf von unten beleuchteter Couchtisch. Dank seiner Geometrie ist Jack auch stapelbar. Wer will, kann sich also damit verbarrikadieren. Dixon schuf einen völlig neuen Produkttyp, der liebgewonnene Wohnkonventionen in Frage stellt. Letztlich kann jeder selbst entscheiden, als was ihm Jack zuhause dienen soll. Als Hocker betrachtet besteht das etwa 60 Zentimeter hohe Objekt aus zwei Dreibeinern, die um 45 Grad gegeneinander verdreht sind. Die dahinter steckende Fertigungstechnik – Rotationsguss im industriellen Maßstab – ist zwar nicht neu, wurde im Möbeldesign aber erstmals angewandt – abermals eine Parallele zu Ghyczys „Ei“.

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