Vorgestern versagte unser elektrischer Wasserkessel plötzlich seinen Dienst. Der Schalter, der im Griff steckt, ist kaputt. Irreparabel. Was mich als notorischen Filter- kaffeetrinker sofort zu einer Recherche bewegte: Tatsäch- lich ist das Angebot automa- tischer Wasserkocher inzwi- schen so verwirrend (und offenbar lohnend), dass sich eine Recherche auch nötig ist. Welche Vorgeschichte hat eigentlich der moderne Blitzkocher?
Bis Ende des 20. Jahrhunderts wurde Wasser auf der Herdplatte oder durch Gasflammen erhitzt. Der handliche Wasserkessel aus Metall, der mit Tülle, Griff und Deckel versehen und idealtypisch eine unten abgeflachte Halbkugel bildet, war bereits ein Industrieprodukt. Er gehörte seit dem 19. Jahrhundert zum Kücheninventar. Er war häufig mit einer Pfeife vesehen, die, auf die Tülle gesteckt und ausgelöst durch den ausströmenden Dampf, das Kochen des Wassers lautstark anzeigte. Diese Variante, etwa in Gestalt des flötenden Alessi-Kessels von Richard Sapper, brachte es in den 80er Jahren sogar zu Designprominenz, scheint aber mittlerweile auszusterben.
Der Produktwandel verweist auf veränderte Verhaltensgewohnheiten, deren Gründe rational erscheinen. Der Elektrokocher ist nicht nur schneller, sondern, weil er keinerlei Aufsicht mehr benötigt, auch bequemer. Die Gefahr, wie früher Wasser zu verschütten oder sich die Hand zu verbrühen, ist sehr gering. War das Wasserkochen – „Setz doch mal den Kessel auf!“ -annodazumal eine bewusste Handlung, die eine gewisse Kontrolle, Konzentration und vielleicht sogar ein klein wenig Hingabe erforderte, so ist sie nun nicht nur beschleunigt worden, sondern weitgehend verschwunden. Eine ausgestorbene Kulturtechnik. Manche Zeitgenossen, die diese noch erlebt und erlernt haben, empfinden dies durchaus als Verlust und fühlen deshalb einen inneren Widerstand gegen die neuen Expressgeräte. Genauso wie beim Kaffeekochen übernimmt der Automat unsere Aktivität, ersetzt und entmündigt uns. Der Mensch wird überflüssig, registriert und konsumiert nur mehr das Ergebnis. Und hat Hand und Kopf für andere Dinge frei.
Die Geschichte des elektrischen Wasserkessels beginnt, wie die so ziemlich aller elektrisch betriebenen Hausgeräte, in Amerika. Der erste Elektrokocher wurde im Jahr 1893 auf der Weltausstellung in Chicago gezeigt. Seine frühe Emanzipation erfolgte jedoch in Deutschland. Peter Behrens, damals „künstlerischer Berater“ bei AEG in Berlin, entwarf 1909 einen elektrischen Wasserkessel im sachlichen Reformstil, der, modular konstruiert, viele Jahre in verschiedenen Modelltypen produziert wurde. Formal waren diese Geräte an die klassische, bauchige Teekanne angelehnt. Es blieb ein Luxusprodukt.
Seinen Durchbruch erlebte der Expresskocher dann doch in den USA, wo die Beschleunigung aller Alltagsprozesse schon früh zum allgemeinen Anliegen wurde. Die größte Artenvielfalt entwickelte dieser mobile H2O-Erhitzer schließlich in England, dem Land, in dem sich die Liebe zum Tee und der hohe Grad der Amerikanisierung ergänzten. So wurden die wichtigen Funktionsmerkmale des Gerätes in den 90er Jahren entwickelt: Zu nennen sind hier insbesondere die geniale Trennung von Kessel und Stromzufuhr durch einen Sockel, die Einhandbedienung für das Anschalten und Öffnen des Deckels, die automatische Abschaltung sowie die (am besten beidseitige) transparente Wasserstandsanzeige. Über diese und andere Selbstverständlichkeiten sowie zahlreiche in der Regel überflüssige Zusatzfunktionen, wie etwa eine digitale Temperaturanzeige, informieren entsprechende Testberichte. Inzwischen taugt auch der gemeine Elektrokessel zum Statussymbol. Highendprodukte, wie etwa Brauns „Sommelier“-Modell, das dicht unter 100 Euro liegt, sind gewiss funktional und technisch hochwertig. Manche expressive Schräge und manche Rundung erscheint mir hier wie anderswo allerdings verzichtbar. Für einen Wasserkocher ist mir das zu aufdringlich.
Ich habe mich deshalb für eine andere, radikale Alternative entschieden: der aktuelle Wasserkocher vom billigen Jakob Tschibo, der Produktion in Fernost mit einem eigenen, europaweiten Vertriebsnetz und Kurzzeitangeboten kombiniert und so mit Kampfpreisen konkurriert. Der Kessel, äußerlich übrigens tatsächlich ein No-name-Produkt, erfüllt alle oben genannten Kriterien. Das Gerät, das in der Herstellung nur wenige Euro kosten dürfte, ist eine teils mit Metall verblendete Plastik-Konstruktion, die mir wegen der recht klaren Proportionen und unaufdringlichen Farben gefällt. Es sagt: Ich bin nur ein unbedeutender Wassererhitzer. Aber es verfügt über einige angenehme, wenn auch unauffällige Eigenschaften. Da sich der Umfang des kreisrunden Kessels nach oben hin leicht erweitert, ergibt sich eine große Öffnung, die das Befüllen erleichtert. Das Lowtech-Gerät, dessen klobige Bedienungsknöpfe sein begrenztes technisches Niveau deutlich machen, lässt sich wegen seiner Leichtigkeit stets sicher führen und schütten. Dazu trägt auch der stabile, sich nach unten verjüngende offene Griff bei, für den allerdings ein weicher Kunststoff die ergonomisch bessere Wahl gewesen wäre. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass bei diesem 20-Euro-Designschnäppchen, der seinen Zweck gut erfüllt, Mechanik und Elektrik ein bisschen länger durchhalten als das zweijährige Minimum .. bp
Ethymologischer Nachtrag: Bereits im Mittelalter wurden zumeist nach oben verengte Wasch- und Kochgefäße als Kessel bezeichnet. In der übertragenen Bedeutung steht der Aspekt des Eingeschlossenseins ebenfalls im Vordergrund (vgl. Talkessel, einkesseln). Das Wort geht auf das lateinische catinus zurück (spätlateinisch cattia), das sich schließlich zum mittelhochdeutschen kezzel entwickelte (englisch kettle). In der technischen Fachsprache meint der deutsche Begriff den Druckbehälter (etwa Dampf-, Gas- oder Heizkessel). Auch als Küchengerät wird damit – im Unterschied zum Topf – ein Gefäß bezeichnet, dessen Zweck – die optimale Erhitzung – sich auch darin zeigt, dass der Deckel (sofern überhaupt vorhanden) lediglich zum Einfüllen geöffnet wird.
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