Der Sitz des Pachtbauern

Gelungene Ironie. Aktueller Mezzadro (Zanotta)

Italien 1954. Ein Traktorsitz aus gestanztem Blech, der auf ein gebogenes Stahlband geschraubt ist und an dessen Ende ein quer gestellter Holzstab für Standfestigkeit sorgt. Diese frappierend einfache Konstruktion stammt von Achille Castiglioni und dessen Bruder Pier Giacomo, zwei italienischen Architekten, die in den 50er Jahren zu Vordenkern des Designs wurden und hier exemplarisch vorführen, wie Minimalismus ind Ironie harmonieren und wie man zugleich nebenbei noch die Popart vorwegnimmt.

Einen Prototyp ihres federnden Stahlhockers zeigten sie erstmals 1954 auf der zehnten Mailänder Triennale. Vorerst blieb es jedoch noch ein reines Schaustück, das erst nach drei Jahren wieder öffentlich auftauchte: in der Ausstellung Colori e forme nella casa d‘oggi (Formen und Farben der Wohnung von heute), die in einer Villa in Como stattfand und aus einem eigenwilligen Potpourri historischer und hochmoderner Einrichtsgegenstände bestand. Genau darin lag das Konzept der Castiglionis. Weil es ihrer Ansicht nach »Design schon immer gegeben hat«, verwendeten sie in ihren Entwürfen auch anonyme Alltagsobjekte, wie etwa Fahrradsitze oder Scheinwerfer, und machten so Gebrauchsgegenstände zu collagierten Readymades.

Durch eine weitere Ausstellung wurde ihr Hocker schließlich populär. Auf der Mailänder Möbelmesse des Jahres 1970 stellte ihn die Firma Zanotta einem begeisterten Publikum vor. In Italien, wo gerade eine veritable Designrebellion alle Konventionen in Frage stellte, ging das frühe Experimentalstück nun in Serie und bekam – wie ein modernes Kunstwerk – auch einen Namen: »Mezzadro«, der Pachtbauer. Nur zwei Jahre später, als ihn das Museum of Modern Art in New York als Musterbeispiel für frische Designware aus Italien präsentierte, geriet Mezzadro endgültig zum Kultobjekt. Für die Brüder Castiglioni war ihr agronomischer Hocker vor allem ein Stück Ironie, ein Seitenhieb sowohl auf das oberflächliche »Bel Design« der italienischen Wirtschaftswunderjahre wie auf den bierernsten Funktionalismus deutscher Prägung. Ihr ebenso profaner wie eleganter Freischwinger parodierte den großen Ludwig Mies van der Rohe, der nicht nur dieser Möbelgattung zum Durchbruch verholfen hatte, sondern auch eine ausgesprochene Vorliebe für Bandstahl empfand. Mezzadro ist ein Lieblingskind der Designkuratoren. Die Macher der italienisch-deutschen Design-Retrospektive 4:3 im Jahr 2000 in der Bonner Bundeskunsthalle stellten ihn einst in die Ecke für Gute Form. Das so vieldeutige Möbelstück wird wie eh und je von Zanotta hergestellt und kostet aktuell 450 Euro .. bp

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Eine Antwort zu Der Sitz des Pachtbauern

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