Frau Schavans Anführungszeichen

Gestern wurde Bildungsministerin Annette Schavan entdoktert. Jeder weiß, nun muss sie gehen. Aber wie reagiert der gewievte Journalist darauf? Er nutzt die Gunst der Stunde.  Wenn alle hingucken, haut er mal ordentlich einen raus.

Ruben Karschnik, Redakteur im Ressort Studium bei „ZEIT Online“, zeigt, wie man so etwas macht:

1.  Man nehme eine völlig abwegige Überschrift: „Bloß nicht zurücktreten!“ Das ist doch ein echter Hingucker! Das klingt frech, ist aber leider nur dummdreist.

2.  Auch ruhig mal etwas behaupten, was offensichtlich falsch ist (fällt in der Hektik vielleicht gar nicht auf): Schavan „habe eine gute Arbeit eingereicht“. Hat das wirklich jemand vertreten? Ich habe immer nur gehört, dass man ihr die Schlamperei verzeihen solle – nach 30 Jahren! Und zwar „den historischen Umständen entsprechend“. Klar, natürlich, hab ich ganz vergessen. Anfang der 80er-Jahre, war das nicht fast noch Mittelalter? Es gab keinen PC, der Krieg war gerade vorbei, die Unis noch zerbombte Ruinen. Da waren auch Heizöl und Tinte knapp und man hatte eben völlig andere Sorgen als irgendwelche korrekten Zitate ..

3.  Auch mal ein bisschen diffamieren. „Puristen sagen dagegen: Ein Plagiat ist ein Plagiat.“ „Puristen“, so so. Das klingt aber jetzt echt böse, so engstirnig irgendwie. Aber was soll denn eigentlich ein Wissenschaftler anderes sein als ein Purist, wenn es um wissenschaftliche Maßstäbe geht? Ein Opportunist vielleicht oder ein Zyniker?

4.  Mehrdeutig formulieren: „Die Uni Düsseldorf hatte keine andere Wahl“. Das könnte einerseits bedeuten, sie hat konsequent gehandelt, könnte aber auch heißen, sie habe unter irgendeinem sachfremden Zwang gehandelt. Dunkle Kräfte? Verschwörung!

5.  Einer Behauptung widersprechen, die niemand aufgestellt hat (uralter Demagogentrick): „Schavan hat keine Straftat begangen“. Stimmt. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Und soll das etwa im Umkehrschluss heißen, dass heutzutage ein Minister oder eine Ministerin erst kriminell werden muss, um zurückzutreten? Ich glaub, sowas  nennt man dann nicht Bundes-, sondern Bananenrepublik?

6.  Endlich mal die Maßstäbe dahin rücken, wo sie hingehören. Was hat sie denn eigentlich Großes getan, die gute Frau Schavan, über die jetzt die puristischen Wölfe herfallen?  Was hat sie ausgefressen? „Sie hat ein paar Anführungszeichen ausgelassen.“ Na, Mensch, Anführungszeichen, diese klitzekeinen Dinger kann man doch mal vergessen. Schavan ist  schließlich auch noch Brillenträgerin (mildernde Umstände!). Da muss man doch nicht gleich so einen Brassel drum machen. Getan hat sie es vielleicht, „um ihre Arbeit ein bisschen besser erscheinen zu lassen.“ Das wäre dann so eine Art Schönheitsoperation. Und so etwas macht doch heute fast jeder .. Das ist eben der ZEIT-Geist.      bp

Zu finden unter http://www.zeit.de/studium/hochschule/2013-02/schavan-kommentar-titel-duesseldorf

6.2.13

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