Warum ist die Welt eine Tankstelle? Weil wir heutzutage immer alles und sofort haben wollen, und zwar überall. Eben wie an der Tankstelle. Das fällt mir immer öfter auf. Neulich hab ich rumgegoogelt und bin in Pirmasens gelandet. Da war ich mal vor vielen Jahren und hab mir Halbschuhe in einer Hinterhofwerkstatt gekauft. Pirmasens liegt in der Pfalz und hat eine kuriose Geschichte. Dazu gehört auch, dassder Ur-Dadaist Hugo Ball dort geboren wurde, als Sohn eines Lederhändlers. Denn Pirmasens war die deutsche Schuhstadt. Nun ist die Industrie weg, aber dies und das ist geblieben: zum Beispiel die Firma psd, die mithilft, dass alles immer, überall und sofort zu haben ist. Durch Intralogistik. Das sind Warenbewegungen innerhalb der Firma. Ein dolles Ding.
Die Mineralkonzerne waren die ersten, die mit ihren Tankstellen eine sofortige, unterbrochene und allgegenwärtige Verfügbarkeit realisiert haben. Das Tanksystem. Vorher gab es Fässer. Vor fast genau 100 Jahren ging das los (naja, vorher waren da noch die Petroleumlampen). Das kann man sehr schön im Einzelnen darstellen, wie sich das nach und nach durchsetzte: hat übrigens sogar am Rande mit dem Bauhaus zu tun; die ja nun mal Absolutisten waren. Die letzten Reste des Erdballs werden gerade in dieses System einbeozgen. Gibt es schöne Geschichten: Als Esso in den 20er-Jahren glaubte, die IG-Farben hätten mit ihrem synthetischen Benzin die Zauberformel entdeckt (immer und überall!), haben sie sich mit den Deutschen die welt aufgeteilt. Die Geheimverträge galten üben 2. Weltkrieg hinweg.
Aber mit dem Tanksystem wurde eben nicht nur eine Logistik etabliert, sondern auch eine Mentalität. Man gewöhnt sich einfach dran: Wir wollen es immer, überall und sofort! Und halten das für die normalste Sache der Welt. Beim Strom und beim Wasser war es natürlich ähnlich. Mein Großvater hat noch jedes mal, wenn er den Raum verließ, das Licht ausgemacht und hatte sein Lebtag keinen Wasserhahn. Aber nichts stand natürlich mehr für diese Art von Freiheit wie die Tankstelle.
Und dieser Vorgang hat sich dann auf immer mehr andere Bereiche übertragen. Dafür gibt es zum Beispiel den Containerverkehr. Denn natürlich wollen wir Blumen auch im Winter und Jeans für 14.50 Euro! Früher sind die Autos im Winter ja auch öfter mal nicht angesprungen. Das Geräusch kennen wir. Heute springen sie immer an, sofort und überall. Ich will natürlich auch so ein Auto, aber ich weise nur mal eben auf den Vorgang als solchen hin. Die totale Verfügbarkeit, die Überwindung der Natur, die ja dramatisch genug ist.
Bei der nahezu unbeschränkten digitalen Verfügbarkeit von Daten, die nochmals die Verfügbarkeit der Waren steigert, dreht sich das Karussell dann noch noch schneller, das reale und das mentale, fast exponential .. Dass nun ständig das Geld rund um den Globus saust, kann sich keiner mehr vorstellen. Hat aber doch einiges mit den Tankstellen und dem Öl zu tun. Die das eben erst richtig in Gang gesetzt haben (und in Gang halten). Aber am Ende sind die Tankstellen eigentlich schon wieder Dinosaurier, Objekte der Nostalgie. Ein Irttum.
Warum ist es ein Problem, dass die Welt eine Tankstelle (geworden) ist. Naja, weil das natürlich nicht geht. Dass Tahiti bald untergeht und Amsterdam auch, das wissen wir ja. Aber wir Schelme halten das für ein Spiel. Weil wir kindisch sind, geworden sind und immer mehr werden. Bockige Kinder. Nur kleine Kinder wollen immer alles sofort! Na, Banker vielleicht noch .. Wir gewöhnen wir uns langsam dran, auch daran, wie wir systematisch infantilisiert werden. Und außerdem verlieren wir so natürlich so nach und nach den Realitätssinn ..
Ich hatte neulich ein nettes Gespräch mit der Kassiererin im Supermarkt. Sie sagt, sie hat einen dicken Stapel Kreditkarten im Schrank (auch so ein Fließding) .. Das funktioniert sofort, immer und überall, steht aber für nichts Konkretes mehr. Deshalb vergessen es die Leute einfach .. Die massenhafte Einführung der Kreditkarten hing natürlich mit den Tankstellen zusammen, wie eben so ziemlich alles. Sonst wäre die Welt ja keine Tankstelle ..